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19.10.15 Münchner Merkur

LUFTHANSA-PILOT ERÖFFNET CHOCOLATERIE IN OTTOBRUNN

Gelandet bei der süßen Versuchung

Mit Schokobrocken am Stiel fing alles an: Andreas Mohrs schafft sich mit Schokolade ein zweites Standbein.© Brouczek


Ottobrunn – Er ist um die ganze Welt geflogen - und bei der Schokolade gelandet: Andreas Mohrs hat nun seine Chocolaterie in Ottobrunn eröffnet. In seinem Laden geht's vor allem fair zu. Andreas Mohrs hat die Welt gesehen: USA, Asien, Australien. Und er hat den Erdball in 14 Tagen sogar schon komplett umrundet. „Das Reisen muss man lieben“, sagt der Münchner aus Solln und lacht. Er liebt es. Mohrs arbeitet seit 15 Jahren als Pilot bei der Lufthansa – und ist nun bei der Schokolade gelandet. Der 42-Jährige hat die Exotik fremder Länder nach Ottobrunn geholt. Auf 130 Quadratmetern an der Rosenheimer Landstraße. Dort hat er gerade seine Chocolaterie „Chocion“ eröffnet. In seinem Geschäft mischt sich Heimat mit der Kultur Lateinamerikas. Oberbayern meets Kolumbien. Weißbier-Trüffel, Pralinen mit dem Ottobrunner Ortswappen, süße „Münchner Häuberl“ der Frauenkirche und zartbittere Löwenbräu-Flaschen: Edelkakao aus dem Unternehmen Casa Luker, bei dem kolumbianische Bauern lernen, Kakao wirtschaftlich anzubauen und das Wert auf eine soziale und umweltgerechte Vermarktung legt, hübsch verpackt in bayerischem Gewand. Die Bohnen „kosten das Vierfache des normalen Preises“, sagt Mohrs. Doch Fairness ist ihm wichtig. Er hat sich das Casa Luker in Bogota selbst angeschaut, kennt die miserablen Bedingungen, unter denen die meisten Kakaobauern in Lateinamerika jeden Tag für einen Hungerlohn schuften. „Da will ich nicht mitmachen“, sagt der Pilot bestimmt. Auch für die Milch seiner süßen Versuchungen bekommen heimische Bauern deutlich mehr als 28 Cent pro Liter. Angefangen hat alles mit einem Schokobrocken am Holzstiel. Den entdeckte Mohrs vor sieben Jahren in einem Wiener Kaffeehaus. Serviert mit heißer Milch, ist der Kakao zum Selbstmachen perfekt. „Das gibt’s in den USA nicht“, dachte sich der Münchner und rief sofort Joe an. Den Chocolatier aus New York kennt der 42-Jährige seit vielen Jahren. „Ich habe ihm aus der ganzen Welt Schokolade mitgebracht, wenn wir uns auf ein Bier getroffen haben“, erzählt Mohrs. Joe war so begeistert, dass er ihn finanziell an seinem neuen Produkt beteiligte. Es entwickelte sich zum Renner – und war eine gute Finanzspritze, „um sich was eigenes aufzubauen“. Denn Mohrs hatte Blut geleckt am Geschäft mit den Gaumenfreuden. Und als Pilot „ist immer die Angst da, berufsunfähig zu werden“. Körperlich muss er topfit sein. Tauchen Probleme auf, „hast du nur eine Lizenz in der Hand, sonst nichts“. Die Schokolade ist sein zweites Standbein. Soeben ist der Feinschmecker aus Charlotte (USA) zurück gekehrt. Nach Langstreckenflügen darf er zwischen einem und sechs Tagen, je nachdem, wie viele Zeitzonen er zuvor durchflogen hat, nicht in die Luft gehen. Die Pause verbringt er im Laden. Sonst führt eine Mitarbeiterin die Geschäfte. Doch auch auf Reisen ist der Chef nicht untätig in Sachen Schokolade. „Unterwegs geht’s zur Konkurrenz zum Testen“, verrät er und lacht. Wie viel Schokolade er schon gegessen hat? „Zu viel“, sagt er grinsend und reibt sich den Bauch. Doch die Schoko geht nicht nur auf die Hüften. „Man entwickelt einen feinen Geschmackssinn.“ Und der ist nicht von allem angetan: Pralinen, gefüllt mit Weinbergschnecken, waren so gar nicht nach seinem Gusto.
Mohrs mag es klassisch. Schokolade, Marzipan Nougat: Das sind die Standard-Zutaten seiner Kollektion. Nicht nur bei Pralinen, Trüffeln und Bruch-Schokolade, auch bei zartschmelzenden Kunstwerken wie Autos, Kinderwagen, Fußbälle und natürlich Flugzeuge, die in seinem Laden stehen. Es gibt nichts, was er nicht aus Schokolade herstellen lassen könnte – bei einer Meisterin aus Rott am Inn. Diese Spezialitäten ließ er seine Kollegen und die Crew auf Flügen probieren – in Konkurrenz zur erlesenen Konfiserie-Auswahl für die First-Class-Gäste. Den Unterschied „hat jeder gemerkt“, erzählt Mohrs stolz. „Die Frische macht sich einfach bemerkbar“ bei den „Chocion“-Produkten. Und der Hauch Fairness und Exotik im oberbayerischen Schoko-Gewand.

Janine Tokarski